Die Weihnachtszeit eignet sich hervorragend, um die Vorgehensweise von E-Mail-Marketern zu beobachten. Wir erhalten mehr E-Mails in kürzerer Zeit und durch unsere Einkäufe landen wir in mehr neuen Verteilern als irgendwann sonst im Jahr.
Eine Sache, die mich in dieser Vorweihnachtszeit mal wieder irritiert, ist die Tatsache, wie mich manche Onlineshops nach nur einem Kauf plötzlich als _die_ Zielperson für das komplette Produktsortiment behandeln. Abgesehen davon, dass ich bei einigen Anbietern, wo ich nach einem Einkauf mit danach folgenden Angebots-E-Mails beglückt wurde, nicht einmal mein Opt-in gegeben hatte. Sie hatten einfach angenommen, dass mein einmaliger Produktkauf einen speziellen Geschenkes gleichzeitig bedeutet, dass ich verrückt nach ihrer kompletten Produktlinie sei.
Ich möchte hier die Analogie verwenden, jemanden um ein Date zu fragen oder um seine/ihre Hand anzuhalten. Die E-Mail-Marketer, die mich mit E-Mails überflutet haben, haben meinen einmaligen Einkauf als Heiratsantrag verstanden und sich entsprechend verhalten. Sie nahmen an, ich wäre begeistert über jedes neue Angebot in meinem Posteingang, weil ich ja so “verliebt” in ihre Marke und Produkte sei. Sie hätten aber deutlich besser daran getan, meinen Kauf als erste Date zu interpretieren. Was hätten sie also anders gemacht, wenn sie diesen Weg eingeschlagen hätten?
Zuerst einmal kann dem E-Mail-Marketer aufgefallen, dass das gekaufte Produkt vermutlich ein Geschenk ist. Nicht so unwahrscheinlich, es ist ja schliesslich Weihnachtszeit. Mit diesem Wissen packt er mich aber auch nicht in den Standard-Emailverteiler mit Lesern, die ihr tatsächliches Opt-in gegeben haben.
Zweitens folgt auf eine erste Verabredung nicht automatisch ein zweites Date. Man muss sich von seiner besten Seite zeigen, um das zu erreichen. Im konkreten Fall siehst das so aus: Wie bei einem guten Date hilft gutes Zuhören. Ausserdem möchte ich die Gelegenheit bekommen, von mir zu erzählen. Für wen habe ich das Produkt gekauft? Wie habe ich den Online-Shop überhaupt gefunden? Brauche ich noch mehr Geschenke für andere Leute auf meiner Liste?
Natürlich gebe ich diese Informationen nicht nur preis, weil ich so ein gutes Herz habe. Aber wenn ich einen Nutzen daraus ziehe (höre ich da kostenfreie Lieferung in 24 Stunden?), bin ich deutlich eher bereit, meinem “Date” von mir zu erzählen. Und auf der Basis der Informationen, die ich abgegeben habe, kann der Online-Shop eine intelligentere und zielgerichtetere Kampagne aufsetzen, die berücksichtigt, an welchem Punkt unsere Beziehung steht. Eine, die nicht davon ausgeht, dass wir verlobt sind.
Und wenn wir schon dabei sind: Auch Firmen, die SEM nutzen, sollten diesem Rat folgen. Viele Unternehmen gehen davon aus, dass eine Google-Suche automatisch bedeutet, dass ich bereit zur Heirat bin. Und die Landingpage spiegelt genau das wieder, nämlich entweder den Weg zum sofortigen Kauf (Ehe), oder gar nichts. Aber oft ist es doch so, dass ein Konsument sich erst einmal informieren will über ein Produkt. Wenn aber meine einzige Option ist “heirate mich jetzt sofort” oder gehe wieder, anstatt einem zusätzlichen “lerne mich hier besser kennen”, wird SEM Potential verschenkt.
Besonders bei bestimmten Themen – ich denke da an Reisen, Automobile oder Finanzdienstleistungen – kann das Angebot, einen Newsletter zu abonnieren, ein angemessener dritter Weg sein für Besucher, die sich _jetzt_ informieren und _später_ erst kaufen wollen.
Am Anfang des Kaufprozesses ist der Wert von Informationen tatsächlich höher als der Wert einer Marke an sich. Das ändert sich, je näher der eigentliche Kauf rückt. Dann kommt nämlich der Punkt, an dem ein mehr an Informationen nichts mehr bringt, sondern der Wert der Marke in den Vordergrund gerät. Wenn Sie als Marke also am Anfang die richtigen Informationen liefern, haben Sie gute Chancen, auch am Ende im Spiel zu sein, wenn es “um die Wurst” geht.
Erlauben Sie also den Konsumenten, Ihre Marke langsam kennenzulernen. Egal ob nach dem ersten Kauf auf Ihrer Website oder nach dem Stop auf Ihrer Landingpage. So wird die Liste Ihrer Newsletter-Anmelder wachsen, sie können mit mehr Relevanz auf Ihre Leser reagieren und am Ende eine höhere Umwaldung erzielen. Mit ein bisschen Arbeit und Glück werden Ihre Leser Ihre Marke “lieben” mit der Zeit. Oder zumindest sie auf Facebook “liken”. Sie brauchen nur Geduld..
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